Der Ski-Winter ist (fast) vorbei und damit Zeit, Bilanz zu ziehen. Die kann aus Sicht der Weltverbände FIS Und IBU nur positiv ausfallen, obwohl sich in diesen Zeiten allein bei der Verwendung des Wortes „positiv“ fast die Nackenhaare aufstellen. Und man muss tatsächlich ein dickes Lob aussprechen und sich dafür bedanken, dass beide Weltverbände das Risiko auf sich genommen haben und im Spätherbst 2020 allen Unkenrufen zum Trotz ihre Weltcup-Serien starteten. In dem sicheren Wissen, nicht zu wissen, wohin die Reise geht, ständig „auf Sicht“ fahren zu müssen und Rückschläge nicht ausschließen zu können. Am Ende der Saison darf man konstatieren – die Hygienekonzepte haben gegriffen, die strengen Regeln und die pandemiebedingten Veränderungen im Wettkampfsystem haben sich bewährt, sowohl die WM in Planica und Oberstdorf als auch die Welttitelkämpfe auf der Pokljuka waren ein Erfolg. Deshalb muss man sicherlich die rührigen Organisatoren der Großereignisse ebenso in den Dank einschließen, auch jene Weltcupveranstalter in Polen, Österreich und Deutschland, die in die Bresche sprangen, als anderswo kein Sport getrieben werden durfte und der Kalender dadurch in Gefahr geriet, deutlich ausgedünnt zu werden. Nun bleibt die Hoffnung, dass die wirtschaftlichen Einschläge, die den Gastgebern mangels Zuschauer- und Sponsoreneinnahmen entstanden sind, in den kommenden Wintern wieder wettgemacht werden können und dass die Weltverbände gerade jenen Orten, die in diesen in die Bresche sprangen, einen Bonus gewähren, wenn die Weltcupveranstalter kommender Jahre festgelegt werden.
Der Vorschlag, Planica, Pokljuka und Oberstdorf bei den nächsten freien WM-Vergaben besonders zu berücksichtigen, wurde bisher von den Weltverbänden mit eher spitzen Fingern angefasst. Aber was spricht eigentlich dagegen? Die Kongresse der Verbände könnten diese Ausnahme nach entsprechenden Anträgen beschließen, die WM-Orte sind nach wie vor modern ausgestattet, haben unter extrem erschwerten Bedingungen ihre Feuertaufe bestanden und den Antrag auf Durchführung der Welttitelkämpfe ja nicht im Wissen um die Pandemie gestellt, sondern viele Jahre zuvor. Gerade weil es den drei Gastgebern gelungen ist, den Jahreshöhepunkt in ihrer Sportart bzw. Disziplin trotz der widrigen Umstände zu einem echten Höhepunkt werden zu lassen, könnte man dieses Engagement mit einer weiteren Weltmeisterschaft in absehbarer Zukunft gebührend würdigen. Und ganz ehrlich – einen Bewerber, der sich gegen eine solche Lösung ausspricht, kann man sich schon aus moralischen Gründen nur schwerlich vorstellen.
Nicht nur für Sportlerinnen und Sportler war es eine sehr spezielle Saison, auch für alle aus dem „staff“ war die Saison 2020/21 ungewöhnlich. Und damit auch für die Medien. Die erlebten eine Saison weitestgehend vor dem Fernseher, aber selbst die Fernsehmacher übertrugen oft genug „off tube“, also aus den Sendezentren in Wien und Köln, Oslo, Warschau, Paris, Mainz und Ljubljana. Eine direkte Präsenz vor Ort gab es nur für einige ausgewählte Personen, Medienzentren verwaisten regelrecht, so leer wie in diesem Winter war es bei der Vierschanzentournee wohl noch nie. Auch die Art und Weise der Berichterstattung hat sich völlig verändert. Nehmen wir als Beispiel den Deutschen Skiverband. Der schaffte es auf großartige Weise, die Medienvertreter nahezu nach jedem Wettkampf mit Statements von Sportlern und Trainern zu versorgen. Dank moderner Kommunikationsmöglichkeiten gelang das sogar recht zeitnah und in hoher Qualität. Aber mit klassischem Journalismus hat das dennoch wenig zu tun. Das ist ausdrücklich keine Kritik an der Arbeit der DSV-Mediencrew, das ist eine schlichte Tatsache. Hintergründe, Stories, 1:1-Interviews, Randgeschichten, es war einfach kaum etwas möglich, völlig unabhängig, ob der Ausspielweg Online, Print, Radio oder Fernsehen hieß. Auch die Agenturen hatten es schwer, mehr zu erfahren, als offizielle Statements. Gut dran war, wer seine direkten Kontakte spielen lassen konnte. Aber wie lange halten die, wenn die Situation so bliebe? Oder noch provokanter: Wohin geht die Reise, wenn die Damen und Herren mit den spitzen Bleistiften in den Verwaltungen von Verlagen oder Rundfunk- und Fernsehanstalten erst einmal scharf nachgerechnet und dabei festgestellt haben, dass weniger Reisen auch weniger Kosten verursachen. Es ist zu befürchten, dass das Sätzchen „Ging doch auch so!“ in der einen oder anderen Redaktion noch häufiger erklingen wird als ohnehin schon. Was das für die Qualität der Berichterstattung bedeuten kann, muss nicht detaillierter ausgeführt werden. Andererseits: In der neuen Form der Berichterstattung steckt natürlich auch eine Chance. Denn mit digitalen Formen medialer Präsenz der Aktiven nach dem Wettkampf kann man auch vielleicht mehr Kolleginnen und Kollegen erreichen als bisher. Andere Sportarten sind da inzwischen schon sehr gut aufgestellt, die Handball-Verbände IHF und EHF bieten beispielsweise – Corona-bedingt – Interviewmöglichkeiten unmittelbar nach Wettkampfende mittels TEAMS an. Eine Option, die man zumindest prüfen sollte.
Die Chance auf Prüfung und Diskussion wird sich uns hoffentlich beim Forum Nordicum im Herbst in Bodenmais bieten. Den genauen Termin werden wir Ende April bekanntgeben und das natürlich in der Hoffnung, dass der Begriff „Corona“ sich bis dahin wieder auf eine Biersorte reduziert hat. Oder zumindest keine Rolle mehr spielt, im F.N.-Alltag. Denn auch für das Forum gilt, was für den Sport gilt: Digital ist möglich – aber live ist live!